Geschichten

Eine Wilerin als dreifache Geschichte-Schreiberin

Ein erstes gemeinsames Schmunzeln gab es gleich zu Beginn, als die beiden neu gewählten Bundesrätinnen Karin Keller-Sutter und Viola Amherd ihren Eid zum Amtsantritt wie aus einem Guss ablegten. Ein kurzer Moment, in dem Karin Keller-Sutters Distanziertheit durchbrochen wurde. Dieser Augenblick – so authentisch und klar – spricht wohl für sich. Nach einer schmerzhaften Niederlage bei der Kandidatur im Jahre 2010 darf die Wilerin ihr Amt als Bundesrätin am 1. Januar 2019 nun voller Stolz und Elan antreten.

Ob es ein schlechtes Omen war, dass Karin Keller-Sutter 2010 keine Dankesrede für eine allfällige Wahl vorbereitet hatte, sei dahingestellt. Beim zweiten Anlauf sah die Ausgangslage komplett anders aus: Es wurde schon gar nicht mehr von einem Wahlkampf gesprochen. Als Kronfavoritin wurde sie betitelt. Karin Keller-Sutter, die in der Zeit zwischen den beiden Kandidaturen an Erfahrung, Wissen und Professionalität gewonnen hat, kann nach fast 30 Jahren fehlender weiblicher FDP-Vertretung im Bundesrat wieder eine Lücke füllen. Damit schreibt sie Geschichte.

Nur Frau sein reicht nicht

Die Reduktion aufs Argument «Frau sein», hört die Wilerin nicht allzu gerne. Trotzdem ist sie stolz, nach Elisabeth Kopp wieder eine solche Rolle einnehmen zu dürfen und das Vertrauen für diese verantwortungsvolle Aufgabe zugesprochen zu bekommen. Doch «nur» Frau sein reichte als Argument längst nicht. Dank der verschiedenen Ämter und Aufgaben, die Karin Keller-Sutter in den vergangenen Jahren innehatte – wie ihre Funktion als St. Galler Polizei- und Justizdirektorin oder als Ständeratspräsidentin –, ist sie nun bereit, ein Teil des Bundesrates zu sein. Was ihr am Herzen liegt: Man solle sie an ihrer Leistung messen und nicht daran, ob sie Mann oder Frau sei – und das gilt nicht nur für Keller-Sutter.

Nummern 118 und 119 sind historisch

Ein historischer Moment war es jedoch nicht nur für die Freisinnigen, auch für die ganze Schweiz ist diese Wahl ein Meilenstein in der Schweizer Historie: Zum ersten Mal wurden gleichzeitig zwei Frauen in den Bundesrat gewählt – Viola Amherd als 118. und Karin Keller-Sutter als 119. Bundesrätin der Geschichte. Ein bewegender Moment. Auch für die etwas kontrollierte und manchmal unnahbare Ostschweizerin.

Eine punkige Seite gibt’s auch

Kontrolle und Professionalität sind gut und recht, doch da ist auch eine etwas rebellische Seite in der Ostschweizerin. Als Jugendliche war Keller-Sutter ein grosser Fan von «The Clash». Bis heute dreht sie gerne die Lautsprecher auf, wenn sie diese «Chaotenmusik» – wie ihr Mann sie gerne betitelt – im Auto hört und in Erinnerungen an ihre wilden Zeiten schwelgt, als die Fingernägel noch schwarz und der Stil etwas verruchter war.

Ihre mutige Seite zeigt sich auch in den Absichten, wie sie sich den Umgang im Bundesrat mit ihren Kolleginnen und Kollegen vorstellt: Eine gesunde Debattierkultur sei für sie wünschenswert. Themen und Sachlagen sollen ausdiskutiert und unterschiedliche Meinungen angehört werden. Schliesslich soll der Bundesrat von einer konstruktiven Zusammenarbeit leben.

Und dann gibt es da sogar noch einen weiteren historischen Höhepunkt: Denn KKS – wie die neue Bundesrätin gerne genannt wird – ist die erste Bundesrätin aus dem Kanton St.Gallen im Wilden Osten.

Da bleibt nur noch eins: viel Energie, Durchsetzungsvermögen und Bodenhaftigkeit für Ihre neue Rolle, Frau Bundesrätin Keller-Sutter.

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