Volkswirtschaftsdepartement Kanton Appenzell Innerrhoden

Chancen für Innerrhoder Studierende und Unternehmen

Interview mit Prof. Dr. Sarah Springman, Rektorin ETH Zürich

Prof. Dr. Sarah Springman dient auf Grund Ihrer intellektuellen und sportlichen Erfolge als bestes Beispiel dafür, dass mit genügend Engagement jedes Ziel erreicht werden kann. Sie hätte als Ehrengast an der diesjährigen Landsgemeinde teilgenommen. Da dies nicht möglich war, nimmt Sarah Springman im folgenden Interview Stellung zu verschiedenen Fragestellungen aus der Sicht des Kantons Appenzell Innerrhoden.

Amt für Wirtschaft: Die ETH betreibt aktive Forschung für Jungunternehmer und Jungunter-nehmerinnen mit dem Ziel, dass die Resultate der wissenschaftlichen Forschung für Wirtschaft und Gesellschaft verfügbar sind. Wie fördert die ETH den Transfer der Forschung und Entwicklung in die Wirtschaft?

 Sarah Springman: Neben der Lehre und der Forschung gehört der Wissenstransfer in die Gesellschaft zu den zentralen Aufgaben der ETH. Diesem Auftrag kommen wir auf verschiedenen Ebenen nach. Die wichtigste Rolle spielen unsere Absolventinnen und Absolventen unserer Studiengänge und Weiterbildungsangebote, welche den jeweils aktuellen Wissenstand nach aussen tragen. Die ETH unterstützt ausserdem Studierende und Forschende bei der Unternehmensgründung, und die ETH Foundation finanziert jährlich 10-15 Pioneer Fellowships. Dabei erhalten ambitionierte Jungforscherinnen ein Startkapital von 150 000 Franken, Coachings und die notwendige Infrastruktur, um ihr Produkt zur Marktreife zu entwickeln und ein Unternehmen zu gründen.

Ist die ETH auch an Kooperationen mit KMUs, also kleineren Unternehmen interessiert?

 Sehr gerne sogar. Schon heute sind gut 30 Prozent unserer Forschungspartner KMU. Für die ETH steht nicht die Grösse einer Firma im Zentrum, sondern deren Ideen. Voraussetzung für eine Zusammenarbeit ist ein gemeinsames Forschungsinteresse, so dass beide Seiten gleichermassen profitieren können.

Wie können Unternehmen, die in peripheren Kantonen wie dem Kanton Appenzell I.Rh. angesiedelt sind, mit Forschungsthemen und Kooperationsprojekten an die ETH gelangen? Welche Kanäle, Plattformen gibt es dafür?

 Wo die Unternehmen angesiedelt sind, spielt keine Rolle. Wenn sie wissen, welche Professur oder Forschungsgruppe in einem für sie interessanten Gebiet tätig ist, können sie diese direkt anschreiben. Wenn sie nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen oder ob sich ihre Idee für eine Kooperation eignet, helfen ihnen meine Schulleitungskollegin Vanessa Wood und ihr Industry-Relations-Team gerne weiter.

Die ETH arbeitet mit Forschungsinstituten wie der Empa, der Eawag, der WSL oder dem Paul-Scherrer-Institut zusammen. Wäre es denkbar eine Forschungsinstitution dieser Art in einer peripheren Region der Schweiz zu führen?

Zunächst möchte ich festhalten, dass die erwähnten Institute wie die ETH Zürich zum ETH-Bereich gehören und eigenständige Organisationen sind. Persönlich glaube ich, dass für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausfordernde Fragestellungen und eine inspirierende Forschungsgemeinschaft wichtiger sind als der Standort. Sinnvollerweise hat der periphere Standort direkt etwas mit dem Forschungsgegenstand zu tun. Ein gutes Beispiel dafür ist das Institut für Schnee- und Lawinenforschung, das zum WSL gehört und in Davos über 130 Menschen beschäftigt.

Obwohl es im Kanton Appenzell I.Rh. interessante Arbeitsstellen für Hochschulabsolventen gibt, stellt sich die Suche nach Fach- und Führungskräften oftmals als schwierig heraus. Wie können Innerrhoder Unternehmen ihre Präsenz als Arbeitgeber bei den Studierenden an der ETH stärken?

 Das ETH Career Center ist dazu da, Absolventinnen und Absolventen und Unternehmen zusammenzuführen. Dazu organisieren wir Anlässe wie das Career Breakfast oder Firmen-Messen, Exkursionen zu Unternehmen, Podiumsdiskussionen oder Interviewtage. Die Teilnahme an diesen Events ist auch für kleine Unternehmen möglich. Interessierte können sich beim ETH Career Center beraten lassen. Das Bundesamt für Statistik führt alle zwei Jahre Umfragen bei Absolventinnen und Absolventen der ETH durch und fragt sie, wo sie ein Jahr nach Abschluss arbeiten. Von den MasterabsolventInnen arbeiten 15 Prozent bei Unternehmen mit weniger als 250 und 27 Prozent bei solchen mit weniger als 50 Mitarbeitenden. Bei den AbsolventInnen mit Doktorat sind es 13, respektive 18 Prozent. KMU sind beliebte Arbeitgeber bei unseren Studierenden.

Die Tendenz der Studieneintritte von Frauen an der ETH ist steigend. Im Jahr 2019 betrug der Frauenanteil 32,9 Prozent. Es besteht allerdings noch Potential. Welche Schritte unternimmt die ETH, um noch mehr Frauen für ein Studium, ein Doktorat oder sogar eine Professur an der ETH zu begeistern?

 Da bin ich einverstanden, die Schweiz hat noch Spielraum. Wir reden von mehr als der Hälfte der Gesellschaft, deren Potenzial wir nicht voll ausschöpfen. Die wichtigste Frage: Wie wecken wir das Interesse von Mädchen und jungen Frauen an Natur- und Ingenieurwissenschaften und wie ermutigen wir sie dazu, dieses Interesse weiterzuverfolgen und ein Studium aufzunehmen? Denn ohne Studentinnen keine Doktorandinnen und ohne Doktorandinnen keine Professorinnen. Ein wichtiger Faktor sind die Vorbilder. Wir müssen jungen Frauen zeigen, dass es durchaus viele erfolgreiche Forscherinnen und Professorinnen gibt und dass dieser Karriereweg ihnen offensteht. Dazu gehören auch Professorinnen, die Kinder haben und somit zeigen, dass man Familie und eine wissenschaftliche Karriere vereinen kann. Und dann müssen wir den Frauen zeigen, dass sie mit einer naturwissenschaftlichen Ausbildung dazu beitragen können, die dringendsten Probleme unserer Zeit zu lösen. Nehmen wir den Klimawandel und all die Jugendlichen, die sich diesbezüglich politisch engagieren. Frauen stehen dabei an vorderster Front. Natürlich braucht es politisches Engagement. Es braucht aber auch Wissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen, die neue Technologien entwickeln und anwenden.

Was mir Mut macht: Bei den neu berufenen Professorinnen und Professoren lag der Anteil der ernannten Frauen über sämtliche Positionsstufen 2018 bei 36 Prozent, 2019 bei 26 Prozent und 2020 lag er bei rund 41 Prozent. Als Minimalziel wollen wir in den nächsten Jahren 35 Prozent erreichen. Die Richtung stimmt also.

Für Schüler und Schülerinnen aus dem Kanton Appenzell I.Rh. scheint ein Studium an der ETH teilweise weit entfernt. Dies sicherlich auch durch die räumliche Distanz. Was können Eltern und Schulen dafür tun, dass Schüler und Schülerinnen sich für Themen wie Technik und Naturwissenschaften interessieren und ein Studium an der ETH in Betracht ziehen?

 Zum einen müssen wir Kinder bereits in der Grundschule im Alter von acht bis zehn für die MINT-Fächer begeistern. Zum andern spielt auch das Umfeld eine Rolle. Die Eltern und Schulen müssen den Kindern zeigen, wie Naturwissenschaften ganz konkrete Probleme lösen helfen, sei es eine Pandemie, die Klimaerwärmung oder die Ernährung einer immer grösseren Weltbevölkerung. Ich bin sicher, dass diese Themen auch viele Kinder in Appenzell Innerrhoden beschäftigen. Ein Studium an der ETH ermächtigt sie dazu, Teil der Lösung zu sein. Die ETH macht vieles, um junge Leute zu erreichen. Mit «ETH unterwegs» beispielsweise besuchen Forschende und Studierende Mittelschulen und bringen den Schülerinnen und Schülern die Naturwissenschaften näher. Im März 2020 waren wir in Trogen AR. Da waren auch Klassen des St. Antonius Gymnasiums aus Innerrhoden dabei. Oder die Maturandinnen und Maturanden schnuppern direkt vor Ort ETH-Luft an den Studieninformations- und Schnuppertagen, einige davon speziell für Schülerinnen.

Interessant für Appenzell Innerrhoden ist natürlich auch, wie gut sich die Innerrhoder an der ETH schlagen. Können Sie uns eine Einschätzung geben, wie erfolgreich bspw. Innerrhoder Maturanden im späteren Studium oder im Doktorat sind? Gibt es dazu Statistiken?

 Wir führen keine Erfolgsstatistik nach Kanton. Was ich aber sagen kann ist, dass derzeit über alle Stufen 40 Studierende aus Appenzell Innerrhoden an der ETH studieren, davon neun Frauen. Ich möchte also insbesondere die Appenzellerinnen ermutigen, sich das Angebot der ETH anzuschauen.

Sie wären als Ehrengast an die diesjährige Landsgemeinde eingeladen gewesen. Leider musste sie abgesagt werden und die Abstimmungen fanden erneut an der Urne statt. Herzliche Gratulation an dieser Stelle zur Schweizer Staatsbürgerschaft! Wie beurteilen Sie das politische System der Schweiz, im spezifischen die Urformen der direkten Demokratie wie sie in Appenzell I.Rh. gelebt werden, im Vergleich zu anderen Ländern?

 Wie Sie richtig sagen, bin ich seit kurzem Schweizerin. Bisher habe ich an allen Abstimmungen teilgenommen und ich werde dies auch künftig tun. Ich finde es grossartig, direkt mitentscheiden zu können, und es ist wirklich sehr schade, dass die Landsgemeinde nicht stattfindet. Näher und direkter kann man Demokratie wohl nirgends erleben. Was man merkt ist, dass die direkte Demokratie sich in der Schweiz nicht nur auf politischer Ebene zeigt, sondern den Charakter des Landes und seiner Menschen insgesamt prägt. Flache Hierarchien und die Bereitschaft zum Kompromiss haben einen hohen Stellenwert und die Schweizerinnen und Schweizer sind in der Regel sehr konstruktiv und lösungs-orientiert. Dadurch dauern die Prozesse manchmal deutlich länger als in anderen Ländern. Ein gutes Beispiel dazu ist die im europäischen Vergleich späte Einführung des Frauenstimmrechts, was für Bürgerinnen und Bürger aus repräsentativen Demokratien etwas irritierend ist. Befasst man sich aber genauer mit dem Schweizer System, merkt man, dass einmal gefasste Entscheide breit abgestützt sind.

(Bild: ©ETH Zürich)

Volkswirtschaftsdepartement Kanton Appenzell Innerrhoden

Das Volkswirtschaftsdepartement (VD) beschäftigt sich mit volkswirtschaftlich relevanten Themen wie Arbeit, Öffentlicher Verkehr, Wirtschaftsförderung und Regionalpolitik, Grundbuch und Handelsregister und ist somit dienstleistungsorientiert. Die Mitarbeitenden des Departements setzen sich für die Innerrhoder Bevölkerung und Wirtschaft ein. Ziel ist die nachhaltige Stärkung und Entwicklung des Wohn-, Arbeits- und Wirtschaftsstandorts Appenzell I.Rh.

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