Bühler Group

Florierende Geschäfte mit heilenden Gewächsen

Die Region Basel ist von der Pharmaindustrie geprägt. Im Gegensatz dazu haben sich in der Ostschweiz besonders viele Heilpflanzen-Firmen angesiedelt. Sie setzen auf ein gutes Geschäft zwischen Tradition und Hightech.

In den letzten Jahren kam es in der Ostschweiz mehrfach bei Landwirten zu Grossrazzien, sie wurden des illegalen Hanfanbaus beschuldigt. Diese ihrerseits rechtfertigten sich, sie würden die Pflanzen im Auftrag von Heilmittelfirmen anbauen. Der fragliche THC-Wert liege innerhalb der erlaubten Menge. Es folgten langwierige juristische Auseinandersetzungen um Schadenersatzforderungen.

Dass dieses Thema ausgerechnet Ostschweizer Behörden immer wieder mal beschäftigt, ist kaum ein Zufall. Die Ostschweiz ist auch eine Gesundheitsregion. Seit Jahrhunderten suchen hier Leidende in Heilbädern, Molke-Kurhäusern und bei Naturärzte Linderung. Als unvergessene Gallionsfiguren sind der Kräuterpfarrer Künzle sowie der Heilpraktiker Alfred Vogel zu nennen. Dank einer langen Tradition der Naturheilkunde und einer zum Teil wenig restriktiven Gesetzgebung, ist das Klima für die Heilpflanzen-Industrie in der östlichen Ecke der Schweiz besonders fruchtbar.

Alteingesessene Unternehmen und Startups

Zwischen Bodensee und Alpstein fällt die Namensliste von Newcomern und Traditionsfirmen beeindruckend lang aus: Hänseler AG in Herisau, Bioforce AG in Roggwil, Max Zeller Söhne AG in Romanshorn, Ceres Heilmittel AG in Kesswil, Morga AG in Ebnat-Kappel, Medrophram GmbH in Schönenberg an der Thur, Alpinamed AG in Freidorf TG, Regena AG in Tägerwilen, Ai Fame GmbH in Schönengrund. Einige von ihnen stellen langjährig sehr populäre Tinkturen her, andere bringen Neuentwicklungen auf den Markt.

Die systematische Herstellung von Heilmitteln aus Arzneipflanzen benötigt viel Know-how. Die Substanzen werden aus Wurzeln, Samenkapseln, Rinden, Blüten und Blättern gelöst. Schon bei der Beschaffung müssen verschiedene Qualitätsanforderungen erfüllt werden. In aufwändigen Verfahren werden die Rohstoffe in den Fabriken gepresst, zermahlen oder mit Wasserdampf behandelt. Einige Pflanzenteile werden auch in Öl oder in Alkohol eingelegt, um die heilenden Substanzen herauszulösen.

Bei homöopathischen Globuli kommt zusätzlich das Potenzieren durch Verschütteln hinzu. Die Verarbeitung braucht viel Fachwissen, am Ende soll nicht ein geheimnisvolles Gebräu, sondern ein Heilmittel, das höchsten Qualitätsansprüchen genügen muss, entstehen, so wie es die Aussichtbehörden im Interesse der Patientensicherheit verlangen.

Aperitif oder Heilmittel?

Die Zubereitung von Heilmitteln aus Arnika, Schafgarbe, Enzian und vielen weiteren Gewächsen wirft ein grundsätzliches Thema auf: Wo liegt – im Stammland des Appenzeller Alpenbitters – die Grenze zwischen einem Genuss- und einem Heilmittel? Viele traditionelle Kräuterschnäpse wirken stimulierend auf die Verdauungsorgane.

Sozusagen Verlegenheit bieten auch heute noch manche Heilmittel-Firmen ihre Produkte als Kräuterliköre an, auf diese Weise können sie nicht belangt werden. Gelegentlich überbrücken sie so die Wartefrist bis zur Erlangung der Verkaufsbewilligung als Heilmittel.

Sie dürfen vorher nicht als natürliches Medikament beworben und verkauft werden. Dazu müssten sie unter anderem einen durch Studien und chemische Analysen erhärteten Wirkungsnachweis erbringen. Die Deklaration als Therapeutikum hätte zudem den Nebeneffekt, dass die genaue Rezeptur und damit ein Geschäftsgeheimnis offengelegt werden müsste, was kaum im Interesse der Herstellerfirmen liegt.

Künstlerisch wertvolle Darstellungen

Das Anwenden von Pflanzenteilen als Therapie hat unterschiedliche Traditionen. Zum einen wurde und wird in der Volksheilkunde Erfahrungswissen von Generation zu Generation mündlich weitergegeben. Parallel dazu hat sich auch eine wissenschaftliche Systematik entwickelt, die sich in prachtvollen illustrierten Dokumenten niedergeschlagen hat. Viele Klosterbibliotheken enthalten entsprechende Kostbarkeiten.

Forschungen belegen, dass in China und in Indien seit mindestens 3000 Jahren Rezepturen für die Heilpflanzen-Anwendungen gebräuchlich sind. In Europa hat der Grieche Diokles von Karytos 350 v. Chr. zum ersten Mal die botanischen Arzneien aus der Natur detailliert schriftlich festgehalten. Galen, ein weiterer Grieche, der von 129 bis 199 nach Chr. lebte, zeichnete in einem mehrbändigen Werk die damals bekannten Rezepturen auf.

Auf diesen Wissensschatz griff man hierzulande bis ins Mittelalter zurück. Nicht nur Hildegard von Bingen, auch viele weitere Mönche und Nonnen beschäftigten sich mit dem Garten als Apotheke. In einigen Klöstern ist die Tradition des Heilkräuteranbaus bis heute lebendig geblieben, beispielsweise sind Produkte aus den Klöstern Wonnenstein in Teufen und Leiden Christi in Jakobsbad bei der Bevölkerung sehr geschätzt beliebt.

Paracelsus in der Ostschweiz

Im 16. Jahrhundert versetzte Paracelsus, legendärer Arzt und Naturforscher, mit seinen Laborexperimenten der Heilmittelherstellung neue Impulse. Er hat auch in der Ostschweiz seine Spuren hinterlassen, er war im 16. Jahrhundert Badearzt im alten Bad Pfäfers, und beschrieb die Heilwirkung des dortigen Wassers. In jener Zeit verbanden sich allmählich jahrhundertealtes Erfahrungswissen mit systematischen wissenschaftlichen Analysemethoden.

Der französische Arzt Henri Leclerc (1870-1955) prägte den bis heute gebräuchlichen Begriff Phytotherapie, der die Anwendung von Heilkräutern auf wissenschaftlicher Grundlage (vom griechischen phyton = Pflanze und therapiea = Pflege) meint. Seither hat sich die Pflanzenheilkunde von ihren Legenden von Wunderkräutern und alchemistischen Experimenten emanzipiert.

Glänzende Perspektiven

Die Universität Zürich hat 1994 einen eigenen Lehrstuhl für Phytotherapie und Naturheilkunde eingerichtet und auch verschiedene Schweizer Fachhochschulen führen Lehrveranstaltungen zum Thema durch. In der Bevölkerung werden Heilpflanzen in Form von Tee, von Salben oder Dragées sehr geschätzt. In Erhebungen gaben 70 Prozent der Befragten an, schon mindestens einmal Beschwerden mit Heilpflanzen-Produkten angegangen zu haben. Damit haben die Ostschweizer Heilmittelfirmen kaum einen Grund für einen sorgenvollen Blick in die Zukunft.

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